"In einer ungewöhnlichen Besetzung präsentieren Alan Bern, Michael Rodach und Paul Brody ein außerordentlich korrektes Stück zeitlose, unabhängige - vom Trend und von Überlieferungen weitgehend unabhängig - Musik. Alan Bern bedient das Tastenarsenal aus Akkordeon, Melodica und
Piano, Michael Rodach vertritt als Gitarrist die Saitenzunft, Paul Brody markiert
mitTrompete und Flügelhorn in die Luft geblasene Töne. Geht das überhaupt:
von Traditionen unabhängig zu sein? Klingt "Tango Valeska" nicht
stark nach andalusischer Basismusik, wenn Paul Brody frank und frei im Tango
Nuancen des Flamenco freilegt? Und kommt "Heschel" nicht sogar der
Bachschen Auffassung eines Trompetenkonzertes nahe? Alles richtig. Trotzdem dieser
Dennoch-Einwand: Was klingt wie ein Anhängsel an dieses und jenes Vorbild,
beweist sich bei näherem Hinhören als transparenter, (meistens) dem
Wohlklang gewidmeter Baustein für eine Musik der Wiederbegegnung. Triophllla
stellt sich dem Wunsch nach einer einfachen, aber nicht oberflächlichen,
nach einer spannenden, aber nicht abenteuerlichen Musik. Vor Überraschungen
ist man beim 2003 während der Berliner Festspiele gegründeten Trio
nicht gefeit. Plötzlich trifft doch eine bekannte Melodielinie hervor -
beispielsweise in "Bartoki", wo in einer flotten Synthese aus Experiment
und erinnerter Bela Bartók-Musiksprache ein Blues erkennbar wird. Hier
rennt Michael Rodach mit gewagten Gitarrenriffs den beiden anderen fast davon.
Zum Reigen lädt "Angel Blue" ein: schwebende Tanzschritte, ostinater
Rhythmus, aufreizende Melodie. Wer hier nicht im Takt mit dem Kopf nickt, der
hat ... "
Jazzthetik, 2/2010, Klaus Hübner
"Berliner Skizzen
"Bitte", und da hakt Paul Brody noch einmal nach, "nicht erwähnen,
dass es sich bei Triophilia um eine Klezmer-Kapelle handle. Journalisten machen
da schnell einen Titel draus und das ist nur ein Einfluss unter vielen." Erstaunlich,
dieser Vorbehalt. Er macht deutlich, mit welchen Schubladen ein Projekt wie Triophilia
umgehen muss. Die organisatorische Vorgeschichte ist unspektakulär. Der
Akkordeonist AIan Bern, einst geboren in Bloomington, Indiana, und künstlerisch
großgeworden im New Yorker Experimentalumfeld, zog zu Mauerfallzeiten in
die potentielle Kulturstadt Berlin. Der kalifornische Trompeter PauI Brody blieb
auf der Suche nach den Wurzeln seiner Familie ebenfalls dort hängen, nahm
gelegentlich für Tzadik auf und macht seitdem mal dies, mal das. Der Gitarrist
Michael Rodach war eh schon vor Ort, arbeitet für Film, Theater, Hörfunk
und leistet sich zuweilen Ausflüge in rockige, klassische oder eben kammerjazzige
Gefilde. Anno 2003 schlug Peter Schulze den dreien vor, es anlässlich des
Jazzfests mal zusammen zu versuchen. "Wie das so ist", meint Rodach, "fängt
man als Projekt an, lotet aus, was miteinander möglich ist, arbeitet, und
dann, durch gemeinsame Erfahrungen wie Verreisen, Auftreten, Aufnehmen, Zusammen-Kochen,
wird aus dem Proiekt immer mehr eine Band. Bei manchen Formationen passiert das
nie, aber bei uns ging es ziemlich schnell." Der Auftritt vor sechs Jahren
war ein Anfang, dann wurde immer mal wieder geprobt, gekocht und diskutiert,
bis die ]azzwerkstatt die Möglichkeit einer Aufnahme bot. Heraus kam eine
typische Großstadthybride mit dem Charme eines Skizzenbuchs, die die Ideen
dreier Künstlerwelten verknüpft. Da gibt es Soundtracks ohne Film ("Music
For Fish"), einen Meta-Blues aus dem Geist europäischer Folklore ("Angel
Blue"), neumusikalisch geimpften Tango, eine Prise Balkan, die Ahnung von
Musette, Kinderliedhaftes und Klangerzählerisches, tendenziell molltrunken
und ideologiefrei. Das wirkliche Ziel vor Augen fehlt, aber das stört kaum,
denn Triophilia kann warten und wachsen. Zu tun, meint Rodach, gebe es eh genug: "Alan
baut in Weimar eine Schule auf. Paul ist in Wien am Burgtheater, und ich schreibe
gerade die Musik zu einem Krimi. Abgesehen davon gäbe es für einen
Filmemacher, Choreografen, Regisseur nichts Besseres, als uns drei für die
Musik zu engagieren." "
Jazzthing #82, 2/2010, Ralf Dombrowski
"Ein ganz anderes Album erscheint etwa gleichzeitig (mit "Seltsam erscheint unsere Lage"): Triophilia von den
Herren Bern, Brody & (ja, genau) Rodach. Die Zusammenarbeit des Deutschen Rodach
mit den beiden amerikanischen Kollegen ist eine besondere. Zum JazzFest Berlin
2003 hatte Peter Schulze - der damals neue künstlerische Leiter des Programms
- die drei Berliner Musiker zur Zusammenarbeit im Trio angeregt. Dabei fällt
zunächst die ungewohnte Besetzung ins Auge bzw. Ohr: Alan Bern an Klavier,
wahlweise Akkordeon oder Melodica bildet eine Seite des gleichschenkligen Dreiecks,
der Trompeter Paul Brody die zweite, und Michael Rodach vermittelt mit seiner
Gitarre zwischen mehr- und einstimmigen Instrumenten. Ein kammermusikalisches
Trio mit vielfältigen Optionen also. Wie in Bill Frisells Alben seit Nashville
immer Americana die Tonlage setzt, bilden Berns und Brodys Hintergründe
in der so genannten New Jewish Music das Fundament. Traditionsbezüge übrigens,
die sie nach Berlin quasi re-importiert haben. Nicht ohne Grund fand das CD-Release-Konzert
im Rahmen der "Discover US" - Reihe statt. Michael Rodach steuert zu
diesem Grundsound Tonlage seinen elgenen "offenen Horizont" bei: die
Weite von Strandspaziergängen oder Highwayfahrten in Richtung Sonnenaufgang.
So klingt Triophlia bisweilen ähnlich nach Soundtrack wie Seltsam erscheint
unsere Lage. Natürlich mit gänzlich unterschiedlichen Assoziationsfeldern. "Bartoki" übernimmt
von Bela Bartok das Prinzip der Feldforschung als Quelle des musikalischen Materials.
Doch das Forschungsgebiet von Bern, Brody und Rodach liegt quer zwischen elektrischem
Blues und verspielt improvisatorischer Klangentwicklung. Greift Bern zum Akkordeon,
wird mal eine folkloristische Tonsprache zitiert, wie z.B. im "Tango Valeska",
oder die Rasterfahndung nach gemeinsamen Klangmischungen ausgerufen, wie in "Secret
Cinema". Hier verweisen die drei Musiker wieder auf ihren CD-Titel Triophilia.
Dass sie das gemeinsame Spiel im Trio mit all seinen Offenheiten und Mehrdeutigkeiten
von Herzen lieben, überträgt sich unmittelbar auf Hörerin und
Hörer. Und dann setzt sich auch noch "Angel Blue" als Ohrwurm
in den Gehörgängen fest. Ja, auch ich liebe dieses Trio."
Jazzthetik 10/2009, Tobias Richtsteig
"Drei Musiker treffen sich, um gemeinsam zu musizieren. Das ist nichts Besonderes
oder Außergewöhnliches. In der Jazzszene ist das der Alltag. Auch
das klingende Ergebnis derartiger Begegnungen muss nicht zwangsläufig
außergewöhnlich sein. Ganz anders im Falle der Begegnung von Alan
Bern, Paul Brody und Michael Rodach. Eine Begegnung, die erstmals beim JazzFest
2003 stattfand und sich seither in loser Folge wiederholte.
Das hält diese Dreiecksbeziehung frisch und spannend. Der Gesprächsstoff
geht den drei Musikern nicht aus, sie haben sich noch immer und immer wieder
etwas Neues zu erzählen. Dennoch wohnt ihrer Musik absolut nichts Geschwätziges
inne. Bern, Brody und Rodach konzentrieren sich auf das Wesentliche.
Die ungewöhnliche Besetzung
mit Akkordeon (Melodica, Piano), Trompete und Gitarre eröffnet vielfältige
Klangmöglichkeiten. Jedes Instrument ist für Melodie, Rhythmus und
Sound gleichermaßen verantwortlich. Jeder Musiker bringt seine kompositorischen
Ideen ein, die dann von allen gemeinsam ausgeformt werden.
Die musikalischen Wurzeln, die Bern, Brody und Rodach in ihre, die gängigen
Schubladen sprengende Musik einbringen, sind vielfältig. Bern verknüpft
Jazz-Avantgarde, neue Musik und Klezmer, Brody die Tradition von Duke Ellington
mit Klezmer und Rodach (als viel beschäftigter Komponist für Film,
Hörspiel und Theater) Jazz, Blues, Rock und "Klangmalerei".
Dass das taufrische Album Triophilia bereits mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik
ausgezeichnet wurde, spricht für die Originalität und Qualität
der Musik und für den erlesenen Geschmack der Jury."
Ulf Drechsel, RBB kulturradio
Bewertung: *****
www.kulturradio.de, 7.10.2009
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